Offener Brief des Kollegiums der Gemeinschaftsschule Dudweiler

Saarbrücken, den 19.12.2017:

Bildung entscheidet über Chancen im Leben

Liebe Leserinnen und Leser,
in den letzten Tagen ist die Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Dudweiler in den Blick der Medien geraten, im Zusammenhang mit einem „Brandbrief“ der Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Bruchwiese. Was wir jedoch verfasst haben, ist eine Überlastungsanzeige, mit der wir „Haftungsfreistellung“ beantragen. Unser Anspruch, die Qualität unserer schulischen Arbeit zu halten, ohne krank zu werden, ist unser Ziel und unsere Sorge.
Wir arbeiten an einer Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe, in der 1050 Schülerinnen und Schüler von 90 Kollegen unterrichtet werden. Die Schule steht in der Tradition der saarländischen Gesamtschulen und sieht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1986 als Schule für alle Kinder im Einzugsbereich. Seit 1995 legen alljährlich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern erfolgreich ihr Abitur ab. Die Qualität unserer Arbeit wird sowohl von den Eltern, den Schülerinnen und Schülern als auch vom Kultusministerium anerkannt. In der externen Evaluation durch das Ministerium im
vergangenen Schuljahr haben wir eine positive Rückmeldung bekommen. Diese positiven Ergebnisse beruhen jedoch auf einem überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz unseres
Kollegiums, der sich in zunehmenden Maße als gesundheitsgefährdend erweist. Der dauerhaft hohe Krankenstand innerhalb des Lehrpersonals der letzten Jahre spiegelt dies wider. Als Kollegium nehmen wir unseren Bildungsauftrag sehr ernst und sehen uns in der Verantwortung, unseren Schülerinnen und Schülern sowohl das Fachwissen und Fertigkeiten als auch soziale Kompetenzen zu vermitteln, die sie als mündige Bürger brauchen.
Wir haben im Rahmen der Überlastungsanzeige dem Kultusministerium die Ursachen und Gründe unserer Überlastung beschrieben. Wir sind eine Schule für alle Kinder. Wie viele andere Schulen beobachten auch wir eine Zunahme an Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihrer Lebensumstände auf besondere Unterstützung und Zuwendung angewiesen sind. Als Modellschule Inklusion stellen wir uns seit fünf Jahren engagiert der
Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und solche, die eine besondere Förderung brauchen, gemeinsam mit allen anderen Schülerinnen und Schülern in einer Klasse zu unterrichten. Wir kümmern uns zudem erfolgreich um Kinder, die ohne Deutschkenntnisse zu uns kommen und deren Integration uns am Herzen liegt.
Diese in den vergangenen Jahren gewachsenen Aufgaben führen dazu, dass sich der Anteil an außerunterrichtlicher Arbeit bei gleichbleibender Unterrichtsverpflichtung zu Lasten der Unterrichtsqualität verschiebt. Wir versuchen den Spagat zwischen Wissens- und Kompetenzvermittlung, Sozialarbeit und uns zugewachsenen neuen Aufgaben: psychologische Betreuung, Konfliktausgleich, therapeutische Hilfestellungen etc..
Veränderte Anforderungen erfordern angepasste Rahmenbedingungen. Um unsere Schule
zukunftsfähig zu machen und um den an uns gestellten Anforderungen gerecht zu werden, ist die personelle, räumliche, technische und mediale Ausstattung für die Erfordernisse zeitgemäßer Lernkonzepte nicht ausreichend. Es werden mehr Fachräume und Rückzugsmöglichkeiten für die individuelle Förderung sowie Lehrerarbeitsplätze gebraucht. Die Räume müssen entsprechend ihrer Funktion ausgestattet werden.
Schulentwicklung und Qualitätssicherung erfordern Systemzeit für Absprachen, da insbesondere die Anzahl der Förderkonferenzen, Absprachen mit außerschulischen Einrichtungen (Jugendamt, schulpsychologischer Dienst, soziale Träger,…) und der Beratungsgespräche (Schüler, Eltern) deutlich zugenommen hat. Zur Arbeitsorganisation sollten zusätzliche Koordinatorenstellen geschaffen werden. Die Anzahl ausgebildeter Förderschullehrer, Schulsozialarbeiter und Eingliederungshelfer muss deutlich erhöht werden.
Der derzeit gültige Klassenteiler von 29 Schülern erschwert die notwendige individuelle Zuwendung zu allen Schülerinnen und Schülern erheblich. Wir zeigen uns gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Gemeinschaftsschule Bruchwiese solidarisch, die unter schwierigen Rahmenbedingungen engagierte Arbeit leisten und für die Arbeit an ihrem Standort zusätzliche Ressourcen benötigen, ohne gleich als „Brennpunktschule“ diskriminiert zu werden. Gemeinsam mit anderen Gemeinschaftsschulen sehen wir uns als die erfolgreiche zweite Säule im saarländischen Bildungssystem neben dem achtjährigen Gymnasium. Wir führen unsere Schüler und Schülerinnen zu allen Bildungsabschlüssen, bis hin zur Allgemeinen Hochschulreife und damit nicht selten zu Abschlüssen, die beim Eintritt in die weiterführende Schule zunächst noch nicht zu erwarten waren. Um die Qualität unserer schulischen Arbeit nicht noch mehr zu gefährden, braucht es rasch eine Stärkung der Schulen durch zusätzliche Investitionen sowohl in Schulgebäude wie in Ausstattung der Schulen durch die Schulträger als auch bei der Personalisierung der Schulen. Dies kann durch eine Verringerung der Klassenteiler und der Unterrichtsverpflichtung geschehen, damit Ressourcen für die zunehmende Betreuungs-, Beratungs- und Verwaltungsaufgaben frei werden. Eine Zuweisung von
nicht unterrichtendem Personal zum Aufbau der Arbeit multiprofessioneller Teams ist dabei unabdingbar.
Wir fordern Schulträger wie Bildungsminister, die gesamte Landesregierung und alle saarländischen Politiker auf, sich rasch und nachhaltig für die Verbesserung der Bedingungen an saarländischen Gemeinschaftsschulen einzusetzen und, wo nötig, auch auf bundespolitischer Ebene aktiv zu werden, um Verbesserungen zu ermöglichen.
Bildung entscheidet über die Chancen im Lebend. Der Auftrag, den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden, ist uns ein großes Anliegen. Wir halten an unserem Anspruch fest, sie gemeinsam mit den Eltern gut durch die Schule zu begleiten, sie zu möglichst hohen Abschlüssen zu bringen und sie gut gerüstet für die Anschlüsse ins Berufsleben zu entlassen. Dafür benötigen wir Unterstützung!
Das Kollegium der Gemeinschaftsschule Dudweiler